LePen, Fraktionsvorsitzende von @vilimsky, fordert ein EU-Referendum für FRA. Wie ist die Position der FPÖ dazu?https://t.co/E0AnJv7l4h
— Michel Reimon (@michelreimon) September 4, 2016
FPÖ-Kandidat Hofer und die EU: Brexit, Öxit, Euroxit oder was jetzt?
Zwei Themen beherrschen seit jeher die FPÖ: „Ausländer_innen“ und die EU. Mit beiden Themen lassen sich ganz wunderbar populistische Politik machen, mit Ängsten spielen, Neiddebatten anzetteln und Schuldige für so ziemlich Alles und Jedes finden.
Nun gibt es an der EU tatsächlich mehr als genug zu kritisieren und auszusetzen. Gewerkschaften haben oft genug die falsche Krisenpolitik, die harte Sparpolitik, die neoliberale Ausrichtung der europäischen Politik und die fehlende Sozialunion, die allesamt zu Lasten der Arbeitnehmer_innen und ihrer Einkommen und Arbeitsbedingungen und auf Kosten von Verteilungsgerechtigkeit und Beschäftigung gehen, scharf kritisiert. Und: es braucht tatsächlich einen Kurswechsel in der Sozial- und Wirtschaftspolitik der EU und die Einlösung des europäischen Versprechens, Wohlstand für Alle zu schaffen. Dafür kämpfen wir Gewerkschafter_innen in der EU und in den einzelnen europäischen Ländern. Und dieser Kampf ist alles andere als einfach. In einem Austritt aus der Eurozone oder gar der EU sehen Gewerkschaften allerdings eher ein unabschätzbar hohes Risiko als eine Chance für die ArbeitnehmerInnen und den Wohlstand.
Die „Kritik“ der FPÖ an der EU geht allerdings in eine ganz andere Richtung. Gewerkschaften wollen die EU sozialer, arbeitnehmer_innenfreundlicher und demokratischer gestalten, weniger an den Interessen der Wirtschaft und der großen Konzerne, orientiert. Der FPÖ ist das alles in Wirklichkeit ziemlich egal.
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Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in Europa für Volksabstimmungen über EU-Austritt …
Die FPÖ ist im EU-Parlament Teil der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit (ENF)“ in der sich rechtsextreme und/oder rechtspopulistische, antieuropäische und „EU-kritische“ Parteien wie die FPÖ, der Front National oder die Lega Nord zusammengeschlossen haben.
Im Juni dieses Jahres fand ein Treffen in Österreich statt, im Rahmen dessen etwa die Vorsitzende des rechtsextremen französischen Front National, Marine Le Pen, für einen BREXIT warb und ähnliche Volksabstimmungen in allen EU-Staaten forderte. Auch Norbert Hofer nahm an dieser Konferenz der europäischen Rechtsparteien teil, er verstand sich mit Le Pen ganz offensichtlich bestens.
Der Standard: Strache und Le Pen laden zu Rechtspopulistengipfel
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… und so auch die FPÖ
- FPÖ-Chef Strache selbst freute sich schon im Jänner 2013 über die vom damaligen britischen Premierminister Cameron angekündigte Abstimmung über den BREXIT. Strache sprach damals in der Zeitung „Österreich“ davon, dass auch „das Volk in Österreich die Möglichkeit haben muss, ein Plebiszit zu erzwingen.“ Strache schloss einen Austritt Österreichs aus der EU nicht aus, wenn sich die EU etwa zu einem „zentralistischen Superstaat“ entwickeln würde, wobei er offen lies, was er damit eigentlich meint.
- Was Strache damals sofort forderte, war eine Abstimmung zum Euro-Austritt – also zum Austritt Österreichs aus der gemeinsamen europäischen Währung. Er meinte damals: „Es wäre sinnvoll, ein Referendum über einen Euro-Austritt zu machen.“
- Strache hat auch das EU-Austrittsvolksbegehren vom Frühsommer 2015 aktiv unterstützt. Am 2. Mai 2015 postete er auf seiner Facebook-Seite:
- Die Forderung der FPÖ nach einem Euro-Austritt wird aber nicht nur von Strache geäußert, sie findet sich auch im „Handbuch freiheitlicher Politik“ – entscheidend verantwortlich für dieses Handbuch für freiheitliche Funktionäre zeichnet Norbert Hofer – wenn es in einer Überschrift heißt: „Österreichs Zukunft liegt im Schilling“. Dort liest man auch, dass der Austritt Österreichs aus der EU „kein Tabu“ Schließlich sei der Austritt aus der EU „kein Austritt aus der Europa“. Und weiter behaupten die Freiheitlichen, dass sich ohnehin nicht wirklich was ändern würde, auch wenn dies im völligen Widerspruch zu anderen Aussagen an selber Stelle steht: „Die Freihandelszone (EFTA), die Zollunion (EWR) und unter Umständen die gemeinsame Währung blieben bestehen, die wirtschaftliche Integration Österreichs in den Europäischen Wirtschaftsraum“ sei schließlich davon „unabhängig“.
- Dass es nicht nur bei den Forderungen blieb, sondern die FPÖ den Forderungen auch Taten folgen ließ zeigt nicht zuletzt eine FPÖ-Initiative im Nationalrat. Am 27. Jänner 2016 – also vor gar nicht allzulanger Zeit forderte die FPÖ in einem Entschließungsantrag als “ersten Schritt in Richtung” Volksabstimmung eine Volksbefragung über den EU-Austritt abzuhalten.
- Und nicht zuletzt fand der freiheitliche EU-Abgeordnete Harald Vilimsky Gefallen an einem möglichen EU-Austritt Österreichs – vom FPÖ-ler. Sollte Österreich nicht ähnlich wie Großbritannien – das im Vorfeld der Brexit-Abstimmung noch Sonderkonditionen mit der EU-Kommission ausverhandelt hatte, ohne Erfolg wie sich zuletzt herausstellte – einen “saftigen rot-weiß-rot Rabatt” erhalten “wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken“. Er war es auch, der erstmals den Begriff “Öxit” kreierte..
Nach dem BREXIT:
zuerst Austrittsbegeisterung …
Als die britische Bevölkerung mehrheitlich – gegen den Willen der Mehrheit der Schott_innen und Nordir_innen – für einen EU-Austritt stimmten, führte dies zuallererst zu regelrechten Begeisterungsstürmen bei der FPÖ:
- Am 24. Juni – dem Tag nach dem Referendum – gratulierten FPÖ-Chef Strache und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky den Briten „zu ihrer wiedererlangten Souveränität”.
- Der FPÖ-Präsidentschafts-Kandidat Hofer war vom Austritt der Briten so angetan, dass er am 26. Juni bereits mit einem EU-Austrittsreferendum Österreichs drohte, sollten nicht „innerhalb eines Jahres die notwendigen Weichenstellungen gesetzt werden“, also weg vom „Zentralismus“.
Der Standard: Hofer will Referendum, wenn sich EU falsch entwickelt
- Am 2. Juli bestätigte Hofer gegenüber der Zeitung „Österreich“ in einem Interview noch einmal, dass die Bürger_innen über einen EU-Austritt befragt werden müssten, sollte die EU zentralistischer werden, wobei er – bereits etwas abschwächend meinte – natürlich nicht wolle, dass die EU zerfällt.
Die inzwischen geringer gewordene Begeisterung für ein EU-Austrittsreferendum dürfte den Entwicklungen in Großbritannien geschuldet gewesen sein. Denn dort herrschte bereits Katerstimmung: Schottland droht mit einer Loslösung vom Vereinigten Königreich im Falle des Austritts Großbritanniens aus der EU; es wurde bekannt, dass die Pro-Austritts-Kampagne ganz wesentlich auf falschen Versprechungen aufgebaut war. Und die lautesten Austritts-Schreier aus dem rechtspopulistischen und rechtskonservativen Lager stahlen sich plötzlich aus ihrer politischen Verantwortung. Die Regierung schien planlos, geschockt und weitgehend handlungsunfähig, der Austritts-Fall vollkommen unerwartet. Die wirtschaftlichen Daten zeig(t)en nach unten. Und: plötzlich hatte man es auch gar nicht eilig, einen Austrittsantrag an die zuständigen EU-Institutionen zu schicken …
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… dann auf einmal doch alles ganz anders?
Auch in Österreich verlor ein EU-Austritt in Anbetracht des britischen Chaos an Popularität. Nun hatte es auch Norbert Hofer auf einmal nicht mehr besonders eilig mit einer Abstimmung über den EU-Austritt. Ganz im Gegenteil.
- Er sei „not amused“ ließ er plötzlich am 8. Juli in der „Presse“ verlautbaren, dass ihm unterstellt werde, er sei für einen EU-Austritt Österreichs. Plötzlich sprach er davon, dass ein Referendum nur im „Extremfall“ abgehalten würde, etwa wenn die Mitgliedsstaaten durch neue Verträge „entmachtet“ würden. Plötzlich wäre es für Österreich „zweifellos ein Schaden, aus der EU auszutreten.“ Und er habe „immer die gleiche Position“ vertreten, betonte Hofer.
Die Presse: Norbert Hofer: “EU-Austritt wäre Schaden für Österreich”
- Auch auf internationaler Ebene versuchte sich Hofer nun plötzlich als Austritts-Gegner zu geben. Er, meinte Hofer gegenüber der deutschen BILD-Zeitung sehe einen Öxit als „schweren Fehler, der gravierende Schäden in der Wirtschaft verursachen würde.“ Er wolle jedenfalls nicht, „dass Österreich aus der EU-Austritt.“
- Dass deutsche Medien in der Regel allerdings eine deutliche aufmerksameren Umgang mit „dem Geschwätz von gestern“ (Zitat Konrad Adenauer) pflegen als die heimischen, musste allerdings auch der FPÖ-Kandidat Hofer zur Kenntnis nehmen: die „Huffington Post“ recherchierte nämlich und konfrontierte Hofer mit dem Handbuch freiheitlicher Politik und den entsprechenden oben erwähnten Austrittspassagen. Dessen Herausgeber – Hofer selbst – gab sich plötzlich unwissend und ahnungslos („Das steht da wirklich? Das ist mir neu.“) und einmal mehr geläutert („Und das ist auch nicht meine Meinung.“).
- Unabhängig von Hofers wankelmütigen Positionen in Sachen Austritt: in der Kronen-Zeitung vom 9. Juli hielt Strache noch einmal fest, dass die FPÖ den „Öxit“ als „Ultima Ratio“ nicht absage. Und das gelte auch für Hofer, so sein Parteichef. Und nachdem Hofer mehrfach in den Medien (u.a. im KURIER vom 24. April 2016) verlauten ließ, dass er auch als Präsident freiheitliche Positionen vertreten werden und, „davon … auch nach der Wahl keinen Millimeter abgehen“ werde, darf wohl angenommen werden, dass die plötzliche Austrittsskepsis rein wahltaktisch motiviert ist und im Zweifel wohl Straches Wort gilt.
Kronenzeitung: Interner FPÖ-Streit über Öxit. Hofer vs. Strache
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Wie immer man zur EU steht. Eines hat der BREXIT jedenfalls gezeigt: Rechtspopulist_innen sind wunderbar darin, einen enormen Schaden anzurichten, die Verantwortung dafür müssen dann allerdings andere tragen. Plötzliche pro-europäische “Bekenntnisse” sind da vollkommen unglaubwürdig. Wir brauchen jedenfalls keinen Bundespräsidenten an der Spitze, der für derart verantwortungslose, nationalistisch und rein partei- und machtpolitisch motivierte, hochriskante Abenteuer zu haben ist.